In negativen Beziehungsdynamiken kommt es häufig zu archetypischen, geschlechterspezifischen Verhaltensmustern. Ein häufiges Problem in Paarberatungen ist die Tatsache, dass den ganz natürlichen Unterschieden und verschiedenen Rollen von Mann und Frau in unserem Kulturkreis heute oft nicht die notwendige Bedeutung beigemessen wird.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich vornehmlich auf den Kontext von festen heterosexuellen Beziehungen, die bereits eine gewisse Zeit bestehen. Auch geht es hierbei NICHT darum etwa ein althergebrachtes Rollenmodell von Mann und Frau darzustellen. Vielmehr geht es um archetypische Rahmenbedingungen für ein glückliches emotionales Miteinander, ungeachtet dessen, wer von beiden mehr im Haushalt macht oder mehr Geld verdient.
Gleichberechtigt ist nicht gleich „gleich“
Die Tatsache, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind bedeutet noch lange nicht, dass sie auch gleich sind. Lösungsansätze in Partnerschaftskonflikten, die auf einem eher “vertragsmäßigen” Verhalten basieren, a’ la “Sie müssen Ihrem Mann in diesen Punkten mehr Wertschätzung entgegen bringen, und Sie müssen Ihrer Frau in jenen Punkten achtsamer entgegen treten…” sind daher allein schon durch archetypische Unterschiede zwischen Mann und Frau von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Unterschiedliche Rollen sind wichtig
Gerade diese Unterschiede sind es, die einer Beziehung die notwendige Polarität verleihen, die für dauerhafte Stabilität und eine erfolgreiche gemeinsame Entwicklung unverzichtbar ist.
Viele Männer agieren eher auf einer rationalen Basis und wünschen sich von ihren Frauen mehr Verständnis für ihre logischen Überlegungen und durchdachten Argumente.
Um sich vollständig entfalten zu können legen viele Frauen sehr viel Wert auf die emotionale Präsenz des Mannes und möchten sich von ihm wahrgenommen, verstanden und in jeder Lebenslage unterstützt oder gehalten fühlen.
Wenn der Mann diese Rolle nicht einnimmt, reagieren viele Frauen häufig mit unbewusster Unsicherheit und versuchen durch viele Fragen, Kontrollen oder gar teils hysterische Szenen die Wahrhaftigkeit und Präsenz des Mannes zu spüren, bevor sie resignieren bzw. selbst starke männliche Anteile ausprägen.
Die meisten Männer hingegen fühlen sich dadurch provoziert, kontrolliert oder verletzt und reagieren ihrerseits mit Zurückweisung oder Rückzug. Hierbei gewinnen Männer oft die Überzeugung, dass sie es ihr ohnehin nicht recht machen können – ganz gleich wie sie es auch immer versuchen – und entwickeln ein Gefühl der Ohnmacht.
Zwei sich polarisierende Prinzipien
In fernöstlichen Philosophiesystemen, die sich mit Paarbeziehungen beschäftigen, wird das Männliche Prinzip als das Prinzip des Bewusstseins, und das Weibliche Prinzip als das Prinzip der Energie betrachtet.
Das Bewusstsein bildet die stabile Achse, um welche sich die Energie bewegt oder “tanzt”. Somit ist der Mann in der Beziehung das Bewusstsein, die Stabilität und die Sicherheit, und die Frau die Kraft, Schönheit und Lebensfreude. Reines Bewusstsein ohne Energie ist trocken, spröde und leblos. Energie ohne polarisierendes, stabilisierendes Bewusstsein ist chaotisch, instabil und gefährlich.
Der westliche Schriftsteller und Familientherapeut Bert Hellinger bringt diese Prinzipien ebenfalls zum Ausdruck, indem er sagt: “Die Frau folgt dem Mann und der Mann dient der Frau.” Dies bedeutet keinesfalls, dass der Mann auf patriarchalische Weise bestimmt und er die Frau dominiert. Ganz im Gegenteil: Gemeint ist hier eher das Bild des Märchenprinzen, dessen Glück darin besteht, dafür Sorge zu tragen, dass seine Prinzessin rundum glücklich ist.
Stark vereinfacht könnte man daraus ableiten, dass es das gute archetypische Recht einer Frau sei, z.B. hysterische Szenen zu machen, um ihren Mann dahingehend zu provozieren, eine wahrhaftige und präsenten Achse in ihrem Leben zu werden. In dem Augenblick, in dem sie ihn als solche verspürt, kann Ruhe, Frieden und Harmonie einkehren und sich das positive Potenzial der Beziehung entfalten.
Wenn wesentliche Elemente dieser archetypischen Rollenverteilung in einer Beziehung fehlen oder diese Rollen gar vertauscht sind kommt es häufig dazu, dass Frauen ihre Partner nicht mehr ernst nehmen können und sie bewusst oder unbewusst mehr und mehr verletzen, oder aber selbst starke männliche Anteile, einen “inneren Generalfeldmarschall” entwickeln, um sich selbst die nötige persönliche Stabilität und Sicherheit zu geben, was häufig zu Lasten der eigenen Weiblichkeit geht.
Umgekehrt hingegen kommt es regelmäßig vor, dass Männer die emotionalen Befindlichkeiten ihrer Frauen missinterpretieren und die Meinung vertreten, dass allenfalls die Frau psychologische Unterstützung bräuchte und zunächst einmal ihre eigenen „psychischen Themen“ bearbeiten müsse, und dass erst nach einer erfolgreichen Therapie vorhandene Partnerschaftsprobleme zu bewältigen seien.
Eine treffende Metapher für die komplexe Beziehungsdynamik zwischen Mann und Frau könnte die Wirkungsweise eines Hubschraubers sein. Betrachtet man einen Hubschrauber, so kann man den oberen Rotor mit der Frau (dem energetischen Prinzip), und den stabilisierenden Heckrotor mit dem Mann (dem Prinzip des Bewusstseins) vergleichen. Fällt der obere Rotor aus, kann der Heckrotor nichts bewirken, egal wie schnell er laufen würde. Funktioniert der Heckrotor nicht richtig, verliert der Hubschrauber seine Stabilität, kommt chaotisch ins Trudeln und stürzt irgendwann ab. Lediglich das Zusammenspiel der Rotoren in den jeweiligen Funktionen (Rollen) lässt den Hubschrauber fliegen.